„Wir arbeiten alle hart – und doch fühlt es sich an, als kämen wir unserer Vision nicht wirklich näher.“ Mit diesen Worten eröffnete der Geschäftsführer eines mittelständischen Pharmaunternehmens den ersten Workshop zur Einführung des OKR-Frameworks, den ich vor einiger Zeit moderiert habe. Er brachte damit auf den Punkt, was viele im Leadership-Team längst spürten: Durch häufig wechselnde Prioritäten und das ständige Feuerlöschen im Tagesgeschäft war die strategische Orientierung verloren gegangen. Zwischen regulatorischen Anforderungen, unbesetzten Positionen, steigendem Kosten- und Effizienzdruck und der Launch-Vorbereitung eines neuen Arzneimittels blieb kaum Raum für die Weiterentwicklung der Unternehmensstrategie.
Die Abteilungen arbeiteten engagiert, doch häufig nebeneinander und nicht aufeinander abgestimmt. Entscheidungen dauerten zu lange. Und mitten im Strudel der Betriebsamkeit ging verloren, was alle verband: Fokus, Sinn und gemeinsame Richtung. Genau hier setzt die OKR-Methode an. Sie gibt dem Leadership-Team ein klares, agiles Instrument an die Hand, um Struktur in Komplexität zu bringen, Strategie mit dem operativen Alltag zu verbinden und die Energie auf die strategisch wichtigen Themen zu lenken. Erfahren Sie in dieser Publikation, wie OKR dabei hilft, Klarheit zu schaffen, Fokus zurückzugewinnen und neue Energie für die Gestaltung der Zukunft zu erzeugen.
Klarheit schaffen inmitten von Komplexität
Bevor wir in die Arbeit mit OKR einstiegen, ging es zunächst um eines: ein gemeinsames Verständnis. Denn nur wenn Geschäftsführung und Leadership-Team wissen, wofür sie OKR wirklich einsetzen wollen, kann das Framework seine Wirkung entfalten.
Wir nahmen uns Zeit, im Führungskreis folgende Fragen ehrlich und tiefgehend zu klären:
Diese Phase war entscheidend. Sie brachte nicht nur Klarheit, sondern auch Verbundenheit. Es wurde deutlich, dass jede und jeder Einzelne im Leadership-Team ähnliche Herausforderungen sah, jedoch unterschiedliche Lösungsbilder im Kopf hatte. Erst als die Geschäftsführung und das Leadership-Team ein einheitliches Bild und echtes Commitment teilten, entstand ein tragfähiges Fundament für die OKR-Einführung.
Fokus setzen und der Strategie Richtung geben
Mit dieser Klarheit und Verbundenheit begann das Leadership-Team, mit OKR zu arbeiten. Schon in den ersten Wochen zeigte sich: OKR ist keine zusätzliche Methode, sondern die Weiterentwicklung der bestehenden Strategiearbeit. Dabei folgt OKR einem einfachen und zugleich kraftvollen Prinzip: Weniger ist mehr.
Das bedeutete für das Leadership Team:
Diese Fokussierung veränderte nicht nur das Vorgehen, sondern auch die Haltung. Es entstand ein lebendiger Rhythmus, in dem die Unternehmensvision im Alltag sichtbarer wurde. Das Leadership Team denkt heute gemeinsam, priorisiert bewusst und übernimmt aktiv Verantwortung für die strategische Ausrichtung.
MOALs – Die Brücke zwischen Vision und Umsetzung
MOALs (Mission Goals) sind der Schlüssel, um Ihre Unternehmensvision Schritt für Schritt zu verwirklichen. Sie bilden die Brücke zwischen langfristiger Strategie und operativer Umsetzung – und schaffen Orientierung für ein ganzes Jahr, also für vier OKR-Zyklen.
Ein MOAL wird qualitativ formuliert und ist bewusst nicht messbar. Es beschreibt, worauf sich Ihre Organisation im Jahr fokussiert – und wie sie ihre Kräfte, Kompetenzen und Ressourcen am wirkungsvollsten einsetzt, um die strategischen Unternehmensziele zu erreichen. Im Mittelpunkt stehen Ausrichtung, Wirkung und Prioritätensetzung – nicht Umsatz-, Wachstums- oder Routineziele. MOALs machen sichtbar, welchen Beitrag Ihre Organisation in den nächsten 12 Monaten leistet, um der Vision spürbar näherzukommen. So wird aus einer Strategie ein lebendiger Entwicklungsprozess – ein Weg, Zukunft zu gestalten, statt Vergangenheit zu verwalten.
Fokus wurde so zu einem zentralen Führungsprinzip – nicht als Einschränkung, sondern als bewusste Entscheidung für das, was wirklich zählt: ein gemeinsames Verständnis über Richtung, Sinn und Wirkung.
Die OKR-Methode unterstützt das Leadership-Team heute dabei, Energie dort zu investieren, wo Zukunft entsteht – und schafft Raum für das, was die Organisation langfristig stark und anpassungsfähig macht: die kontinuierliche Weiterentwicklung der Strategie.
Zeit schaffen für die strategische Arbeit
Bei der Arbeit mit OKR wurde dem Leadership-Team deutlich: Strategisches Arbeiten braucht Raum – und dieser Raum muss bewusst geschaffen werden. Denn OKR entfaltet seine Wirkung nur, wenn ausreichend Zeit und Kapazität für die Arbeit an den OKR-Sets vorhanden sind.
Schließlich gilt das, was auf der Autobahn gilt, auch für die Zusammenarbeit in Unternehmen: 100 Prozent Auslastung bedeutet Stau. Sind alle zu 100 Prozent ausgelastet, kann niemand auf weitere Veränderung reagieren – weder schnell umsteuern noch Neues aufnehmen.
Deshalb widmete sich das Leadership-Team im ersten Quartal dem zentralen Objective, bestehende Prozesse zu optimieren und so die eigene durchschnittliche Auslastung auf etwa 80 Prozent zu reduzieren. Dieses Objective war anspruchsvoll, denn es bedeutete u. a.:
In der Konsequenz konnte das Leadership-Team ab dem zweiten Quartal seine Energie gezielt in die Umsetzung der OKR-Sets investieren – mit hoher Motivation und spürbarer Wirkung. Jedes Objective, das es in einem OKR-Zyklus verfolgte, zahlte dabei auf ein oder mehrere übergeordnete MOALs ein – und verband so tägliches Handeln mit der strategischen Richtung.
Objectives & Key Results – das operative Herzstück von OKR
Ein Objective ist ein qualitatives Ziel, das Orientierung gibt und das angestrebte Ergebnis für das Quartal beschreibt – immer mit Blick auf ein oder mehrere MOALs. Es formuliert einen klaren, für alle verständlichen Zielzustand, der echten Mehrwert schafft. Ein gutes Objective ist kein To-do, sondern beschreibt das gewünschte Ergebnis so konkret, dass daraus zielführende Initiativen entstehen können. Es ist bewusst nicht messbar, damit Raum für kreative Lösungen und Eigenverantwortung bleibt. Wichtig: Ein Objective ist kein Umsatz- oder Wachstumsziel, sondern ein Motivator, der Sinn stiftet, Energie bündelt und das gemeinsame Handeln inspiriert.
Ein Key Result ist im Vergleich dazu ein quantitatives Ziel, das sichtbar macht, wann genau das Objective erreicht ist. Es macht den Fortschritt sichtbar – klar, konkret und messbar in Zahlen. Key Results sind keine Aufgabenlisten, sondern klare Kriterien (Acceptance Criteria), an denen sich erkennen lässt, ob das Objective erreicht wurde. Sie helfen, den Fokus zu halten, Prioritäten zu setzen und bewusst zu entscheiden, was nicht gemacht wird. Im Unterschied zu klassischen KPIs sind Key Results Key Value Indicators – sie messen den tatsächlichen Mehrwert für Kunden, Teams oder Ihre Organisation.
Gearbeitet wird heute in Quartalszyklen mit bis zu vier Objectives und jeweils maximal vier Key Results. Diese kurzen, fokussierten Zeiträume fördern Klarheit, Konzentration und Lernfähigkeit – und machen den Fortschritt im Führungsalltag sichtbar.
„Zeit zu schaffen“ wurde zu einem zentralen Führungsprinzip: Es sichert die Resilienz, Lernfähigkeit und die Veränderungsbereitschaft der Organisation – und schafft genau den Freiraum, den es braucht, um in Veränderungsprozessen beweglich zu bleiben.
OKR – Ein Framework, das Orientierung schafft und Zukunft gestaltet
OKR ist weit mehr als ein Framework für Ihre Strategiearbeit – es ist ein System für lebendige Führung. Es unterstützt Sie als Führungskraft dabei, Orientierung zu geben und zugleich Freiraum zu ermöglichen, Struktur zu schaffen und Lernen zu fördern.
OKR verbindet Menschen, Strategie und Sinn – und sorgt dafür, dass Führung spürbar wird:
Wer mit OKR führt, lenkt nicht über Kennzahlen wie KPIs, sondern über Sinn und Wirksamkeit. So entsteht eine Kultur, in der die Strategie im Alltag gelebt und aktiv weiterentwickelt wird – jeden Tag, in jedem Team.
Ihre Fragen sind wertvolle Impulse. Wenn Sie ein Thema haben, das Sie aktuell bewegt, freue ich mich über Ihre Nachricht – und greife es gerne in einer meiner nächsten Publikationen auf.

Über die Autorin
Janine Müller-Dodt widmet ihre Karriere dem Ziel, die Gesundheitsversorgung und Lebensqualität zu verbessern. Nach ihrem Abschluss in International Business Management war sie zehn Jahre lang in leitenden Positionen bei großen Pharmaunternehmen tätig. Ihre Erfahrungen mit mangelnder Transparenz und Führung während wichtiger Veränderungsprozesse motivierten sie, seit 2013 als Solopreneurin zu arbeiten. Zunächst unter ‚Janine Dodt Healthcare Consulting‘ und seit 2023 unter der Marke ‚Müller-Dodt Healthcare Transformation‘ berät, unterstützt und befähigt Janine Müller-Dodt Führungskräfte und Teams in Veränderungsprozessen, sodass sie das Neue mit Leichtigkeit erfolgreich etablieren können.
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