Admir Kulin im Interview
© m.Doc GmbH
Im Interview zeigt Admir Kulin auf, wie die individuelle Patient Journey dank Plattform gestaltet werden kann. Er berichtet darüber, welche Schritte jetzt erforderlich sind, damit die Gesundheitsversorgung der Zukunft verwirklicht werden kann, und welche Auswirkungen dies auf die Führungskultur und die Zusammenarbeit im Gesundheitssektor haben wird.
Der ehemalige Profi-Basketballer Admir Kulin absolvierte ein Studium der Sportwissenschaften. Es folgten berufliche Stationen als Leiter Controlling bei der Label of Sportswear GmbH und als IT-Projektleiter bei der Nürburging Automotive GmbH. Diese ebneten Admir Kulin im Jahr 2012 den Weg in die digitale Healthcare Branche: Er übernahm eine leitende Funktion beim Telemedizindienstleister vitaphone GmbH und später die Rolle des CFO/COO.
Wenn er etwas macht, so Admir Kulin, dann mit Leidenschaft und völliger Hingabe und so startete er im Jahr 2016 in die eigene unternehmerische Tätigkeit. Er gründete die m.Doc GmbH und hatte schon damals eine klare Vision davon, wie Connected Health in Deutschland umgesetzt werden kann. Heute teilt er diese Vision einer Gesundheitsversorgung der Zukunft mit einem ambitionierten Team. Gemeinsam arbeiten sie täglich daran, die innovativste und flexibelste digitale Plattform im Gesundheitsmarkt weiterzuentwickeln und den besten Service für digitale Kommunikation in der Gesundheitsversorgung zu bieten.
Die m.Doc GmbH ist ein in Köln ansässiger und vielfach ausgezeichneter Digital Healthcare Pionier, der auf Basis seiner Smart Health Platform zahlreiche digitale Lösungen für Kliniken, Reha- und Versorgungseinrichtungen sowie Arztpraxen bereitstellt. Das Unternehmen steht im Zentrum eines starken und stetig wachsenden Partner-Netzwerks und unterstützt damit digitale Innovationen auf ihrem Weg in das Gesundheitssystem. m.Doc macht mit seinen auf die Bedürfnisse der Branche maßgeschneiderten Lösungen effiziente Versorgung möglich und verschafft ärztlichem, pflegefachlichem und medizinischem Personal damit mehr Zeit für das Wesentliche: für die Patientinnen und Patienten.
Ihre Vision ist es, eine Welt zu schaffen, in der jeder Mensch über sein eigenes Smartphone Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung hat. Welche Schritte sind jetzt nötig, damit diese Vision Wirklichkeit wird?
Admir Kulin: Zuallererst geht es jetzt darum, dass wir damit aufhören, das deutsche Gesundheitssystem immer nur innerhalb seiner starren Sektorgrenzen zu sehen und verändern zu wollen. Diese Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Behandlung existieren für die Patientinnen und Patienten im Übrigen gar nicht. Sie suchen bei einer Erkrankung oder einem Gesundheitsproblem ihre Hausärztin oder ihren speziellen Facharzt auf, um Besserung zu erfahren. Die Versorgung hört nicht mit einer Überweisung in eine Klinik auf.
Es ist zwingend erforderlich, dass wir alle Handlungen, Prozesse und Strukturen in der Gesundheitsversorgung radikal auf die zu versorgenden Menschen ausrichten. Aus meiner Sicht ist eine solche radikale Patientenzentrierung genau der richtige und wichtige Schritt in Richtung Zukunft – auch oder gerade, weil er viel Veränderung bedeutet.
„Es ist zwingend erforderlich, dass wir alle Handlungen, Prozesse und Strukturen in der Gesundheitsversorgung radikal auf die zu versorgenden Menschen ausrichten.“
Wie tragen Sie mit Ihrem Team der m.Doc GmbH dazu bei, die individuelle Patient Journey zu gestalten?
Wir haben im ersten Schritt mit unserer modularen Smart Health Platform ein technisch sicheres und solides Fundament geschaffen, auf dem verschiedene Lösungen für den Gesundheitsmarkt laufen:
Dank einer Plattform kann die individuelle Patient Journey gestaltet werden. Zugleich ermöglicht sie die Kollaboration aller an der Versorgung beteiligten Akteure.
Unser Hauptprodukt ist m.Doc Smart Clinic, ein Patientenportal, das präzise an die individuellen Anforderungen jeder Klinik, Reha- oder Versorgungseinrichtung angepasst werden kann. Sie stellt konsequent die Patientinnen und Patienten in den Mittelpunkt und bindet sie aktiv über ein digitales Interface in die Prozesse ein.
Darüber kann sich ein Patient vor dem Aufenthalt bequem von zu Hause mit dem eigenen mobilen Endgerät über die Einrichtung und die geplante Behandlung informieren, etwaige Aufnahmeunterlagen direkt ausfüllen und an die Klinik senden. Das erleichtert dem Patienten die Vorbereitung auf einen Klinikaufenthalt und nimmt etwaige Sorgen und Ängste.
Während des Aufenthaltes erfährt er weitergehende Unterstützung über sein Smartphone – ob detaillierte Informationen rund um seine Behandlung, SMS-Erinnerungen zur Medikamenteneinnahme oder individuelle Übungen, die den Genesungsprozess fördern.
Und nach seiner Entlassung erinnern ihn die zuvor mit dem Arzt festgelegten Gesundheitsziele daran, dranzubleiben und sein Leben mit der Erkrankung so zu gestalten, dass es ihm gut geht und dadurch die Genesung weiter gefördert wird.
Wir entwickeln unsere Smart Health Platform kontinuierlich weiter. Dabei denken wir weit über die Sektorgrenzen oder einzelne Projekte wie das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) hinaus. Wir stellen sicher, dass bei all unseren Lösungen die Interoperabilität und offene Schnittstellen auf FHIR-Basis Standard sind. Über Smart Practice werden auch niedergelassene Praxen und weitere Gesundheitsdienstleister in die Kommunikation und die individuelle Patient Journey eingebunden.
Aktuell arbeiten wir bereits mit der 7. Plattform-Generation, einem servicebasierten, starken Partner-Ökosystem. Denn auch das ist wichtig: Die digitale Transformation des Gesundheitswesens ist eine Gemeinschaftsaufgabe und kann nur über Kooperation gelingen. Die Module und Funktionen der Plattform können nach den individuellen Anforderungen aktiviert oder deaktiviert werden. Das ermöglicht, den digitalen Reifegrad schrittweise auszubauen und die Digitalisierung des Klinikalltags modular und maßgeschneidert umzusetzen.
„Die digitale Transformation des Gesundheitswesens ist eine Gemeinschaftsaufgabe und kann nur über Kooperation gelingen.“
Bei der Einführung eines Patientenportals geht es schlussendlich darum, bestehende Prozesse in Kliniken und die damit verbundenen Rollen und Aufgaben radikal zu ändern. Welche Hürden gibt es bei der Umsetzung in den Kliniken und welche Widerstände seitens der Beteiligten begegnen Ihnen?
Das ist ein wichtiger Punkt! Denn eines muss klar sein: Ein analoger Prozess, der digitalisiert wird, ist nicht automatisch effizienter, weshalb echte digitale Transformation immer auch mit drastischen Veränderungen einhergeht. Das ist für viele Menschen schwierig – vor allem, wenn die Belastung für die Ärzteschaft und das pflegefachliche Personal dermaßen hoch ist wie in diesen Tagen.
Die digitale Transformation ist der totale Umbau während der berühmten OP am offenen Herzen. Und genau deshalb ist es für die erfolgreiche Digitalisierung auch so wichtig, die Belegschaft von Tag 1 an mitzunehmen. Ohne Change Management oder vielmehr Transformation geht es dabei nicht.
Welches sind aus Ihrer Sicht die Erfolgsfaktoren für den erfolgreichen Rollout eines Patientenportals und das Etablieren und Verankern neuer Routinen im Krankenhausalltag?
Sie brauchen ein gutes Team und einen versierten Partner, der die technischen Aspekte umsetzen kann. Aber letztendlich ist die Kommunikation das A und O – und zwar in alle Richtungen. Die zugrundeliegende Studie von Kurt Lewin stammt zwar schon aus den Vierzigerjahren, an seinen Grunderkenntnissen hat sich jedoch nichts verändert: Partizipation und ein Teamansatz sind entscheidend für jede Art von größeren Veränderungen. Ohne die Aktivierung und den Einbezug der Mitarbeitenden in den anstehenden Change scheitern die meisten Initiativen.
„Letztendlich ist die Kommunikation das A und O – und zwar in alle Richtungen.“
Die Kliniken stehen unter enormen Handlungsdruck: Wir befinden uns mitten im Countdown des KHZG. Hinzu kommen die Inflation, gestiegene Energiekosten, hohe Krankenstände bei einer knappen Personalausstattung und die Krankenhausreform unseres Bundesgesundheitsministers Lauterbach. Wie kann es den Klinikleitungen gelingen, dieses Spannungsverhältnis zwischen dem Heute und dem Morgen bzw. zwischen Stabilität und Innovation zu bewältigen?
Das ist eine sehr schwierige Frage und ich will die Herausforderungen, vor denen die Häuser aktuell stehen, auch keinesfalls kleinreden. Am Ende des Tages ist jedoch ein „Weiter so“ keine Option.
Wir müssen etwas verändern – ungeachtet der politisch motivierten Reformen –, da das System bereits kurz vor dem Kollaps ist. Daher lautet mein Appell: Langfristig denken und gut planen. Denn wir mögen uns mitten im KHZG-Countdown befinden, die digitale Transformation des Gesundheitswesens ist damit keinesfalls schon erledigt.
Der Vormarsch der Digitalisierung in anderen Alltagsbereichen zwingt uns heute dazu, die Gesundheitsversorgung endlich wieder neu und anders zu denken. Dabei gilt es, groß zu denken, damit das, was heute noch nicht existiert, aufgebaut werden kann.
„Mein Appell: Langfristig denken und gut planen.“
Unser Gesundheitssystem in Deutschland ist ein auf die Akutmedizin ausgerichtetes, pathogenetisches System. Wie kann aus Ihrer Sicht die notwendige Dynamik hin zu einem anders ausgerichteten Gesundheitssystem entstehen, in dem die Prävention und Gesundheitsförderung das Leitmotiv sind? Und welche Rolle kann dabei die Digitalisierung spielen?
Die Digitalisierung leistet hier schon einen wichtigen Beitrag, indem sie die Menschen für ihre eigene Gesundheit sensibilisiert. So kann mir etwa die Smartwatch ein Signal geben, wenn ich wieder einmal zu lange gesessen habe; oder sie erinnert mich daran erinnert, regelmäßig zu trinken oder sie misst meinen Puls.
Um das Gesundheitssystem zu verändern, reicht das natürlich nicht aus. Das kann aus meiner Sicht nur gelingen, wenn die monetären Anreize gänzlich anders gesetzt werden.
Welche Auswirkungen erwarten Sie für die Führungskultur und Zusammenarbeit im Gesundheitssektor, wenn es durch die Digitalisierung erfolgreich gelingt, eine moderne, patientenorientierte, interprofessionelle und auf die Förderung von Gesundheit ausgerichtete Versorgung auf- und auszubauen?
Aus meiner Sicht benötigt Führung eine neue Wissensbasis. Medizinisches Know-how bleibt wichtig, gleichzeitig brauchen wir auch ganz neue Fähigkeiten, die sich innerhalb der Führungsebene widerspiegeln müssen. Die sogenannten „People Skills“ bzw. auf Deutsch „Sozialkompetenzen“ werden aus meiner Sicht wichtiger.
Darüber hinaus ist es erforderlich, die Berufsbilder im Gesundheitswesen wieder attraktiver zu machen. Digitale Lösungen können die Menschen immer nur entlasten, ohne Menschen gibt es aber auch in Zukunft keine Gesundheitsversorgung. Ich betone nochmals, wie wichtig die Zusammenarbeit für die Transformation im Gesundheitssektor ist. Es ist eine Mammutaufgabe, die nur mit starken Partnern an der Seite gelingen kann, und das gilt aus meiner Sicht für alle und jeden.
Vielen Dank für das interessante Gespräch.
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